Momente, Orte und Situationen, die eigentlich zu klein, zu vermeintlich unwichtig sind, um wahrgenommen zu werden, hält Geeske Janßen in Fotografie, Video und Interviews fest. Durch Details und starke Ausschnitte zeigen sich die verschiedensten Wirklichkeiten auf intime und abstrakte Weise. Ein Interesse am Unzugänglichen und zugleich Alltäglichem mit einem Blick, der die Dinge in ihrer Normalität betrachtet und in Einzelteile zerlegt. Die künstlerische Arbeit von Geeske Janßen eröffnet neue Sichtweisen auf eigene und fremde Realitäten. Sie hat an der HGB Leipzig, HBK Braunschweig und der UPV Valencia studiert. Geeske Janßens Arbeiten wurden u. a. im FOTOHAUS | PARISBERLIN/ Arles, Kunstverein/ Speyer, HALLE14/ Leipzig, Kunsthalle/ Wilhelmshaven gezeigt. Sie erhielt u.a. das Arbeitsstipendium „NEUSTART“ der Stiftung Kunstfonds, Residenzstipendium des Greater Columbus Arts Council/ Ohio und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Residenzstipendium des Goethe Instituts Thessaloniki und HALLE14/ Leipzig, Förderpreis Fotografie der Kulturstiftung der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg.



Forschungsprojekt: Harmony

Eine Untersuchtung des Verhältnisses zwischen Menschen und Sexpuppen mit dem Fokus auf Gefährtenschaft


Geeske Janßen: Monika. Foto: Lucas Melzer








Geeske Janßen: Monika
Videoinstallation: 12:21 Min. Loop, Stoff, Rohrverbinder, Rundrohr.
Ausstellungsansichten von crossfading | bodies: digitale Echos, analoge Schatten im Kasseler Kunstverein, 2023.
Fotos: Lucas Melzer



Geeske Janßen: Monika (Videostill)

In ihrem Forschungsprojekt "Harmony" untersucht Geeske Janßen das Verhältnis zwischen Menschen und Maschinen mit dem Fokus auf Gefährtenschaft. Über einen Zeitraum von zwei Jahren beschäftigte sie sich mit der Beziehung, Entwicklung, Produktion und Vermietung von Sexpuppen und Sexrobotern. Ihre Reisen führten sie von Las Vegas (USA) bis in verschiedene Regionen Deutschlands, wo sie Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen traf, Interviews führte und diese filmte.

Die Herangehensweise gleicht ihrem üblichen Vorgehen: Nachfragen, genaues Hinsehen und der Versuch eines unvoreingenommenen Blicks. Alle Interviews basierten auf einem ähnlichen Fragenkatalog, der die Beziehung zum Objekt erkundete. Aus diesem Material entstanden zwei Arbeiten: Der Film "Harmony" untersucht die Entwicklung von einem Objekt zu einer Gefährtin. Die filmische Installation "Monika" ist im Kasseler Kunstverein zu sehen.

"Monika" thematisiert die intime Beziehung zwischen Mensch und Gegenstand. Der Film zeigt einen weiblichen Torso ohne Kopf oder Arme, mit lediglich einem Ansatz von Oberschenkeln. Stigmatisierung und Ängste, aber auch die Freuden und positiven Auswirkungen des Besitzes und der Nutzung von Sexpuppen werden thematisiert. Freude über die menschenähnliche Präsenz, wenn man nach der Arbeit erschöpft nach Hause kommt oder über das gute Gefühl, jemanden neben sich schlafen zu haben und umarmen zu können. Der Film gibt Einblicke in die Erfahrung, durch Monika etwas zu erleben, das sonst nicht möglich wäre. Sie hat auf die psychische Gesundheit einen positiven Effekt.

Besucher:innen begegnen einem achteckigen, schwebenden Raum mit transparenten Gardinenwänden. Sie müssen die Gardinen beiseiteschieben, um einzutreten. Im Raum liegt ein großer Screen auf dem Boden, vor ihm steht ein Hocker und über einen einzigen Kopfhörer kann der Ton des Videos gehört werden. In voller Sichtbarkeit des weiteren Publikums kann nur jeweils eine Person den Film mit Audio ansehen, indem der Kopfhörer aufgesetzt wird. Es entsteht eine intime Beziehung zwischen Monikas Mitbewohner, Monika und der ,kopfhörenden' Person.

Das Projekt "Harmony" erstreckte sich über zwei Jahre und ermöglichte es Geeske Janßen Orte und Menschen zu finden, sie zu besuchen, zu filmen und zu interviewen. Diese ausgedehnte Zeitspanne verlieh ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema eine einzigartige Tiefe und Nähe. Der Zugang zu den Orten und Menschen gestaltete sich aufgrund von Misstrauen, das durch vorherige Berichterstattung und Stigmatisierung entstand, als schwierig. Dennoch schafft "Harmony" auf sensible Weise Sichtbarkeit für Aspekte, die vielen unbekannt sind. Die Kamera führt die Zuschauer nahe an die Materialien, Körperteile und Menschen heran und macht den Alltag mit den Objekten, Werkzeugen und Gefährtinnen spürbar. In den Interviews kommen die Protagonist:innen zu Wort und haben Raum, ihre Beziehung zu den Puppen und Robotern sowie deren Auswirkungen auf ihr Privatleben zu erzählen.

Was sind Auswirkungen auf das Privatleben?
Wem erzählt man, dass man Sexpuppen schminkt?
Wie hat sich Beziehung entwickelt?
Was ist das Schönste an der Puppe?
Was können die Puppen nicht bieten?

Text: Joel Baumann, für die Publikation GBB_edits #2